Arbeitgeber zwingt mich zum frühen Ausstempeln

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Laut dem aktuellen Arbeitszeitgesetz sind die IST-Arbeitszeiten zu erfassen. Das hat nichts mit der Abgrenzung der "Nebenpflichten" o. ä. zu tun. Hier hat der Arbeitgeber andere Lösungen zu finden. Halbwegs brauchbare Zeitwirtschaften bieten dafür Mechanismen.

Je nach Unternehmenskultur/-Organisation wurde ich in der Personalabteilung anfragen. Nicht selten haben die direkten Vorgesetzten keine Ahnung von sowas. Schlimmstenfalls werden pauschal von der gestempelten Zeit Abzüge für die "Nebenpflichten" gemacht. Wenn Du dann auch noch später einstempelst, wird dir die Zeit doppelt abgezogen.

Falls vorhanden, auch mal den Betriebsrat befragen.

20 min vor Ladenöffnung da sein, oder bin m Abend, wegen der Kassenabrechnung, sicher 10 min länger da, als eingetragen. Sprich: Ich arbeite umsonst!

Zurecht: Tatsächlich gehören diese Vor- und Nachbereitungszeiten des Öffnens und Abrechnens der Kasse zu den Nebenpflichten deiner Haupttätigkeit, die der AG in diesem geringen Umfang nicht bezahlen muss. Rechtsgrund: § 612 BGB.

Schliesslich hat der Kunde Anspruch, während der vollen Geschäftszeit, deiner Arbeitszeit der Hauptleistungspflicht "Kassieren", bedient wird, sodass sie außerhalb der vergüteten AZ erfolgen muss. Du darfst ihn weder morgens 20 Minuten warten lassen noch abends 10 Minuten vorher die Kasse zumachen, um bezahlt abrechnen zu können :-(

So das BAG m. Urt. Z 5 AZR 122/99 v. 11.10.2000 :-(

G imager761

Es ging um Waschen und Umkleiden - das ist grundsätzlich keine Arbeitszeit (Ausnahmen gibt es tätigkeitsspezifisch)

Im Einzelhandel handelt es sich aber um notwendige Vor- und Nacharbeiten (Ware auslegen, Kasse abrechnen).

Das ist sehr wohl als Arbeitszeit zu werten; der als Arbeitszeit anzuerkennenede Zeitraum bei Vor- und Nacharbeiten können auch tarifvertraglich, einzelvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt sein.

Wenn hier mit waschen und umziehen argumentiert wird, halte ich mit aktuellerem Urteil dagegen:

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.9.2012, 5 AZR 678/11

Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind im Anwendungsbereich des TV-L vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.

Warum dies nun nur auf TV-L bezogen ist, erschließt sich mir nicht. Aber der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass falls die Bedingung "..wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss." erfüllt ist, dass sich dieses Urteil auf alle Beschäftigungsverhältnisse anwenden lässt. 

@alexbababu


Das gilt schon allgemein, aber in dem Einzelfall ging es speziell um den TV-L - im alten BAT war das mit 30 Min. Arbeitszeit geregelt und im TV-L fehlte jegliche Regelung - 2007 wurden die Landesbeschäftigten vom BAT in den TV-L übergeleitet.

Wie Du schon richtig schreibst: das Umkleiden wird durch den ArbG angeordnet (es handelt sich um einen OP-Bereich)

@alexbababu

Warum dies nun nur auf TV-L bezogen ist, erschließt sich mir nicht.

Das ist verständlich!

Und tatsächlich wird allgemein - also unabhängig von der Anwendung eines solchen Tarifvertrags - auch gesagt, dass dann, wenn das Tragen einer bestimmten Kleidung im Betrieb vorgeschrieben ist und  diese Kleidung nur im Betrieb getragen werden darf (das Umziehen zu Hause und das Tragen auf dem Arbeitsweg also nicht erlaubt ist), die für das Umkleiden aufgewendete Zeit als Arbeitszeit zu bezahlen ist.

@DerSchopenhauer

In Randnotiz 26 wird auch noch erwähnt, daß die Tarifparteien von den allgemeinen Regelungen der Arbeitszeit abweichen könnten - das sei aber eben speziell nicht im TV-L erwähnt.

@ imager761:

Dieses Urteil ist allerdings auf den in der Frage geschilderten Sachverhalt überhaupt nicht übertragbar!

Selbst wenn unter bestimmten Voraussetzungen Umkleide- und Waschzeiten nicht zur Arbeitszeit zu rechnen sind, ist das nciht vergleichbar mit den Zeiten, die aufzuwenden sind für das Vorbereiten und das Abrechnen der Kasse!

Deine Einschätzung, dass "diese Vor- und Nachbereitungszeiten des Öffnens und Abrechnens der Kasse zu den Nebenpflichten deiner Haupttätigkeit, die der AG in diesem geringen Umfang nicht bezahlen" müsse, ist falsch!

Schliesslich hat der Kunde Anspruch, während der vollen Geschäftszeit, deiner Arbeitszeit der Hauptleistungspflicht "Kassieren", bedient wird, sodass sie außerhalb der vergüteten AZ erfolgen muss. Du darfst ihn weder morgens 20 Minuten warten lassen noch abends 10 Minuten vorher die Kasse zumachen, um bezahlt abrechnen zu können

Selbstverständlich kann nicht erst mit Beginn der Ladenöffnung die Kasse vorbereitet und schon vor Ende der Öffnungszeit die Kasse abgerechnet werden!

Aber was - bitte schön - hat das damit zu tun, dass der Arbeitgeber die Zeiten, die dafür vor Beginn und nach Ende der Ladenöffnung vom Arbeitnehmer aufgewendet werden müssen, auch zu bezahlen hat!

Das weitere Argument, es handele sich nur um einen "geringen Umfang", der nicht zu bezahlen sei, ist aber völlig aus der Luft gegriffen!

@Familiengerd

Ganz "lustig" wird es, wenn die gleichen Tätigkeiten im Laufe des Tages auch auftauchen ... z. B. zu Pausenbeginn und -ende.

@Ifm001

Ja, dann läppern sich die vielen kurzen Zeiten, die der Arbeitgeber angeblich nicht bezahlen muss, im Laufe der Zeit zu einem erklecklichen "Sümmchen" ungerechtfertigt vorenthaltenen Entgelts!

Hallo! Erstmal vielen Dank, für die schnellen und  hilfreichen Kommentare!!

Imager761: Bedeutet also, dass eben dieses Zählen etc. (Ich meine damit nicht das Umziehen/Waschen) nicht vergütet werden MUSS, aber kann?!

Wenn dem so ist, darf mein AG mir also auch vorschreiben, wie ich zu stempeln habe?

Mir stellt sich da gleich die nächste Frage:

Wenn ich arbeite, obwohl protokolliert wurde, dass ich nicht mehr da bin und dann einen Unfall passiert, bin ich noch durch die Arbeit versichert? Gilt das dann schon als "Heimweg"??

Fragen über Fragen ;)

Liebe Grüße

Das kommt auf den Tarifvertrag an. Ohne Bezeichnung und zeitlicher Zuordnung von geforderten NEBENTÄTIGKEITEN gilt jede Minute Arbeitszeit als Arbeitszeit und muss bezahlt werden (Arbeitszeitkonto). Erst nach wirklicher Beendigung deiner geforderten Arbeiten musst du in diesem Fall Abstempeln.