Ab wann darf man einen offensichtlich defekten einseitig beschrankten Bahnübergang überfahren?

4 Antworten

Hallo Domin1k,

im Bußgeldbescheid stand sicherlich folgendes drin:


Tatbestandsnummer: 119630

Tatvorwurf: Sie überquerten mit einem Kraftfahrzeug den Bahnübergang trotz geschlossener Schranke/Halbschranke *).

Ordnungswidrigkeit gem. § 19 Abs. 2, § 49 StVO; § 24, § 25 StVG; 244 BKat; § 4 Abs. 1 BKatV

Bußgeld: 700,00 + Verwaltungsgebühren Fahrverbot = 3 Monate Punkte: 2 A Verstoß (bedeutet für Fahrer in der Probezeit eine Nachschulung


Du hast doch vor Einstellung des Bußgeldbescheides einen Anhörungsbogen bekommen.

Hast Du in dem Anhörungsbogen nicht ganz klipp und klar da gelegt, dass:

  1. Die Schranke ganz offensichtlich eine Schrankenstörung hatte

  2. Du eine angemessene Zeit gewartet hast

  3. Du Dich Schranke unter gebührender Beachtung, dass die Strecke aus frei ist überquert hast?

Ich würde an Deiner Stelle mal einen Rechtsanwalt aufsuchen und den um Rat fragen, vielleicht sieht der noch eine Change dagegen anzugehen.

Große Chancen würde ich mir allerdings nicht ausrechen, denn die Rechtslage ist klar.

Wenn Die Schranken geschlossen sind, darfst Du diese nicht umfahren. PUNKT.

Der vorschriftsmäßige Weg ist der, dass Du die Polizei bzw. die Bundespolizei die für Schrankenstörungen zuständig ist rufst und wartest bis diese vor Ort eintreffen.

Hier noch einmal ganz klar gesagt: Du darfst eine geschlossene Halbschranke nur in einem Fall überfahren und der ist, wenn ein Polizeibeamter, egal ob normale Polizei oder Bundespolizei oder autorisiertes Bahnpersonal Dir die Weisung gibt die geschlossenen Schranken zu umfahren.

In allen anderen Fällen begehst Du eine Ordnungswidrigkeit bzw. wenn doch ein Zug gekommen wäre, wärst Du schon im Straftatbestand des folgenden Paragraphen drin:


§ 315 StGB - Gefährliche Eingriffe in den Bahn”, Schiffs” und Luftverkehr

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn”, Schwebebahn”, Schiffs” oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

  1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,

  2. Hindernisse bereitet,

  3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder

  4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt

und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.


Die Gefahren des Bahnverkehrs sind so enorm, dass der Gesetzgeber hier keine Ausnahmen zulässt und nur sehr sehr selten Rechtfertigungsgründe anerkennt.

Ein Zug der nur 100 km/h fährt, braucht über einen Kilometer um zum stehen zu kommen. Auch die Strecke von fast 30 Metern, die ein Zug in der Sekunde zurücklegt ist enorm. Legt man zugrunde, dass man gut 10 Sekunden zum Umfahren der Halbschranke braucht, hat ein Zug gute 300 Meter zurückgelegt.

Und in einem muss man sich klar sein. Fehler im Bahnverkehr zahlt man nur selten mit gesundheitlichen Schäden, denn im allgemeinen bist Du nach einem Zusammenstoß mit dem Zug tot

Aus den eben angeführten Gründen befürchte ich, wirst Du nicht gegen den Bußgeldbescheid ausrichten können, aber bei der Höhe des Bußgeldes und vor allem bei 3 Monaten Fahrverbot würde ich zumindest mal einen Rechtsanwalt befragen ob da nicht doch eine Möglichkeit gibt was gegen den Bußgeldbescheid auszurichten.

Schöne Grüße
TheGrow

Nimm dir einen guten Anwalt im Verkehrsrecht. Der sollte die Sache klären können.

Gruß

Wie sollte er das klären können?

@Crack

Etwas schlecht ausgedrückt. Damit war gemeint, dass er alle Fragen klären kann und nicht, dass er ihn da locker raushaut. ;)

@Crack

Ich stimme marcco hier zu.

Aufgrund des nicht unerheblichen Höhe des Bußgeldes und vor allem des Fahrverbots würde ich zumindest die Möglichkeit nutzen mal mit einem Rechtsanwalt zu sprechen.

Das die Chancen aufgrund des Gefährdungspotentials den der Bahnverkehr mit sich bringt, bei fast null sind, erfolgreich gegen den bereits erteilten Bußgeldbescheid anzugehen ist mir auch klar. Aber fast null ist halt nicht null.

Grundsätzlich werden Verkehrsordnungswidrigkeiten fahrlässig begangen. Wer jedoch wissentlich eine geschlossene Halbschranke umfährt handelt vorsätzlich. Aus diesem Grunde sind die Regelsätze im Bußgeldkatalog auch dementsprechend hoch. In diesem Fall sind es 700.- € (Verwaltungkosten kommen noch dazu), 4 Punkte und eine Fahrverbot von 3 Monaten. Wäre statt der Halbschranke nur ein rotes Blinklicht gewesen, so hätte die Lichtzeichenregelung nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO gegolten. Es wäre ein Nichtbeachten des Rotlichts gewesen (Geldbuße "nur" 90.- EURO) bzw. bei längerer Rotphase 200.- € mit 1 Monat Fahrverbot und 4 Punkten. Eine Halbschranke sichert nach der EBO den Gleisbereich. Diese zu umfahren ist eine "Todsünde".

Die Gerichtsurteile mit der Wartezeit an roten Ampeln ist hier nicht anwendbar. Es geht um das Umfahren von Halbschranken und nicht um das Nichtbeachten von Lichtzeichen.