42 Stunden Arbeitszeit gefordert trotz 40-Stunden-Woche im Arbeitsvertrag
Ich habe lt. Arbeitsvertrag ein 40-Stunden-Woche von Montag bis Freitag. Darin sind bis zu 40 Überstunden monatlich mit dem Gehalt abgegolten. Wir arbeiten von Montag bis Freitag beim Kunden. Da wir fliegen, beträgt unsere Reisezeit für eine Strecke ca 6 Stunden. Reisezeit ist bei uns Arbeitszeit und das sind fast diese besagten 40 Stunden. Jetzt verlangt der KUNDE eine reguläre Arbeitszeit von 42 Stunden die Woche. Unser Chef (mit dem der AV abgeschlossen wurde) duldet dies. Kann ich mich gegen diese Forderung wehren? Wenn ja, gibt es da einen Paragraphen, dass man ohne Änderung des AV nicht einfach mehr verlangen darf? Das Problem ist nämlich, wir kommen Montag Mittag dort an und reisen Freitag nachmittag wieder ab. In diese Zeit packen wir die wöchentliche Arbeitszeit. Nun stehen aber zusätzlich noch Überstunden an (die dann aber auch als solche bezahlt werden), so dass wir auch erst Samstag nach Hause können. Und Montag früh dann wieder los. Mir geht es nur um die 2 Stunden "reguläre" Arbeitszeit mehr, die der Kunde von mir fordert. Auch wenn ich diese Stunden bezahlt bekomme, mir geht es ums Prinzip. Ich habe einen Vertrag und möchte, dass sich auch meine Vertragspartner daran halten. Wenn ich mich weigere, kann mein Chef dann arbeitsrechtliche Schritte (Abmahnung usw.) gegen mich einleiten? Oder wäre dies Arbeitsverweigerung? Wie gesagt, die angeordneten Überstunden (Samstags) sind ok... nur diese "42-Stunden-Woche" kann ich nicht akzeptieren.
Kann mir da jemand weiterhelfen? Da wäre ich sehr dankbar.
Lg Panikpaula1
3 Antworten
Zur Verlängerung der Arbeitszeit:
Die Verlängerung der Arbeitszeit kann von einem Kunden schon einmal garnicht verlangt werden, denn er ist nicht Partei des Arbeitsvertragsverhältnisses!
Der Arbeitgeber selbst kann versuchen, die vertragliche Änderung der Arbeitszeit einvernehmlich herbei zu führen und über eine Änderungskündigung zu "erzwingen"; zur Änderungskündigung hat DerSchopenhauer ja schon einiges geschreiben.
Es ist aber noch zu ergänzen, dass eine Änderungskündigung nur dann erfolgen kann, wenn die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nur unter den geänderten Bedingungen möglich ist - "nur einfach so", weil der Arbeitgeber z.B. Geld sparen will, ist rechtlich nicht vertretbar; aber auch in diesem Fall müsste bei Ablehnung eine Kündigungsschutzklage erhoben werden.
Zur pauschalen Abgeltung der Überstunden:
Grundsätzlich kann eine solche Vereinbarung getroffen werden, dass Überstunden mit dem Gehalt pauschal abgegolten sind. Allerdings muss die Anzahl der Stunden in einem "vernünftigen" Verhältnis zur vereinbarten Arbeitszeit stehen und darf einen "normalen" Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.
Die pauschale Abgeltung von 40 Überstunden wird man wohl bei einem übertariflich bezahlten Angestellten (z.B. angestellter Rechtsanwalt mit einem Jahreseinkommen von 80.000 €), bei einem "normalen" Arbeitnehmer - ich nehme an, dass es sich bei Dir darum handelt - dürfte eine pauschale Abgeltung von 40 Überstunden monatlich bei einer 40-Stunden-Woche als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und damit als nichtig anzusehen sein.
Auf der Seite "Finanztip" ( http://www.finanztip.de/web/troeger-wuest/ueberstunden.htm ) heißt es dazu im Kapitel "Werden Überstunden vergütet oder können sie "abgefeiert" werden?":
Es kann allerdings auch eine pauschalierte Regelung vereinbart sein. Im Vertrag steht dann z. B., dass Überstunden im Umfang von bis zu 10 Stunden monatlich mit dem monatlichen Bruttolohn abgegolten sind. Dann müssen die in dem vereinbarten Rahmen liegenden Überstunden nicht gesondert vergütet werden. Eine solche Pauschalvereinbarung ist aber nur zulässig wenn sie hinsichtlich der Anzahl der Überstunden zeitlich genau eingegrenzt ist und sich dieser Rahmen auch in einem hinnehmbaren Mass hält. So wird die pauschale Abgeltung von 40 Überstunden für einen normalen Angestellten in aller Regel sittenwidrig sein.
Jetzt habe ich gerade meinen Arbeitsvertrag nochmal gelesen. Wörtlich steht darin:
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Die Angestellte erklärt sich bereit, bei entsprechendem betrieblichem Bedarf Überstunden zu leisten. Evtl. zusätzliche Arbeitszeit wird nicht vergütet.
Aber in der Betriebsvereinbarung steht auch: Reisezeit ist Arbeitszeit. Und wir reisen fast 40 Stunden im Monat. Irgendwie.. bin ich jetzt völlig perplex.
Ja, das sind eben leider zwei verschiedene Sachen: "Recht haben" und "Recht bekommen", sein Recht kennen, es aber gegen den Arbeitgeber durchsetzen und das notwendige Standing und die mentale Stärke haben müssen ... :-- (
Wenn das tatsächlich so im Arbeitsvertrag steht, wenn dort nicht steht, wieviele Überstunden ohne zusätzliche Bezahlung bei Bedarf zu leisten sind, dann ist diese gesamt Klausel nichtig und ihr habt Anspruch auf eine entsprechende Vergütung der geleisteten Mehrarbeit. Es gibt dazu mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts BAG, die auf dieser Seite angesprochen werden: http://blog.handelsblatt.com/rechtsboard/2012/09/12/neues-vom-bag-zur-pauschalabgeltung-von-uberstunden/ :
[..] das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits vor einiger Zeit entschieden, Klauseln zur Pauschalabgeltung von Überstunden seien unwirksam (BAG, Urteil vom 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, DB 2011 S. 61). Zwei jüngere Entscheidungen des höchsten deutschen Arbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, DB 2012 S. 1932; BAG, Urteil vom 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, DB 2011 S. 2550) bestätigen diese Rechtsprechung [...]
Was das Problem Reisezeit/Arbeitszeit angeht, solltet ihr euch zur Klärung mit dem Betriebsrat in Verbindung setzen!
Vielen Dank für Deine Antworten. Mir ist erschreckend klar geworden, was hier eigentlich mit Arbeitnehmern so angestellt wird.. bzw. was man sich alles gefallen läßt.
Ergänzung:
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (vom 17.8.2011 – 5 AZR 406/10) findest Du auf dieser Seite: http://lexetius.com/2011,5161
Da geht es um eine Arbeitsvertragsklausel, die Deiner sehr ähnlich ist:
§ 3 (3) Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten.
Lies Dir einmal die ablehnende Argumentation des höchsten deutschen Arbeitsgerichts besonders unter den Randnummern 16, 17 und 18 durch! Diese Ablehnung trifft auch auf Deinen Fall zu, auch wenn in der verhandelten Sache der klagende Arbeitnehmer (der in meiner Antwort als Bespiel genannte Rechtsanwalt) letztendlich gescheitert ist - eben wegen seiner hohen Vergütung und anderer Umstände.
Es gilt die reguläre Arbeitszeit im Arbeitsvertrag (40 Std.). Eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen ist grundsätzlich nicht möglich.
Wenn diese nun verändert werden soll, dann bedarf es auch einer Änderung des Arbeitsvertrages (z. B. durch einvernehmliche Zusatzvereinbarung zum laufenden Arbeitsvertrag).
Wenn nun der AG die Arbeitszeit von sich aus verändern möchte, dann bedarf es einer Änderungskündigung; eine Änderungskündigung ist eine Kündigung mit dem Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen.
Der AN kann dieser zustimmen und es wird der Vertrag geändert oder er kann ablehnen und innerhalb von 2 Wochen Kündigungsschutzklage einreichen.
Aber Vorsicht: Sollte der AN den Prozeß verlieren, ist das Arbeitsverhältnis beendet.
Die Nichtakzeptanz des Fortführens des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen bei einer Änderungskündigung führt also automatisch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der AN kann aber auch unter Vorbehalt annehmen und die Änderung gerichtich überprüfen lassen (Änderungsschutzklage); das hat den Vorteil, daß das Arbeitsverhältnis nicht automatisch beendet wird.
Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 102 BetrVG) ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung (auch Änderungskündigung) anzuhören. Eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates ist unwirksam!
Wenn ein Arbeitgeber durch eine Änderungskündigung die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers ändern will, so muss er dem Betriebsrat sowohl das Änderungsangebot als auch die Gründe für die gewollte Änderung der Arbeitsbedingungen mitteilen.
Danke für die Antwort. Ich denke nicht, dass mein AG einen Änderungsvertrag anstrebt, da der KUNDE diese 42 Stunden möchte. Wir haben mehrere Projekte in verschiedenen Firmen und nur dieser eine möchte das. Also kann ich deiner Antwort entnehmen, dass ich mich sehr wohl dagegen wehren kann, ohne mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen? Wohlgemerkt nur unter der Voraussetzung, dass mein eigener Chef keinen Änderungsvertrag macht.
Der Kunde kann ja gar nichts verlangen.
Mündlich kann der AG, ohne Dein Einverständnis, eine Änderung nicht herbeiführen.
Aber hier scheint das ja ein Projekt zu sein - ich rede über die regelmäßige Arbeitszeit - das müsste dann generell gelten - so kann das als Überstunden zu werten sein und diese können angeordnet werden; hier überwiegt ggf. das betriebliche Interesse Deines AG und das würde Dich grundsätzlich auch nicht unangemesen benachteiligen..
Da es sich ja wohl um eine zeitlich befristete Maßnahme handelt sollte man hier keine Prinzipienreiterei betreiben.
Änderungskündigungen müssen ja auch begründet sein und können nicht so aus Spaß und Dollerei ausgesprochen werden.
Ich denke hier wird etwas hineininterpretiert, was gar nicht real ist.
Es scheint doch nur darum zu gehen, den Auftrag des Kunden zufriedenstellend auszuführen und dazu ist auch oft eine Mehrarbeit nötig...
Ich gebe dir völlig Recht. Der Kunde hat ja auch Überstunden zusätzlich angeordnet. Deshalb der Samstag mit 8 Stunden. Macht im Monat auch nochmal 32 Stunden. Aber ich meine mit meiner Frage.. dass der Kunde zusätzlich zu den Überstunden auch noch extra eine 42-Stunden-Woche fordert. Also erstmal 42 Stunden reguläre Arbeitszeit. Dazu dann noch der Samstag mit 8 Stunden Überzeit. UND noch unsere Fahrzeit, die ja bei uns auch als Arbeitszeit gilt.
Dir müssen grundsätzlich dann die 42 Std. bezahlt werden (also 40 + 2 Überstunden für Dich + sonstige Überstunden+ Fahrzeit + etc.)
unbezahlte Überstunden (auch temporär)
Hier kommt es darauf an ob das im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Doch diese Klauseln sind oft unwirksam.
Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht etwa am 17.08.2011 (Az. 5 AZR 406/10) entschieden, dass eine solche Bestimmung gegen das Transparenzgebot des § 307 Ab. 3 Satz 2 BGB verstösst. Denn der Arbeitnehmer weiß nicht, worauf er sich hier einlässt.
Anders sieht die Situation dann aus, wenn der Arbeitgeber die Anzahl der unbezahlten Überstunden zeitlich begrenzt. Hierzu sollte ein bestimmter zeitlicher Anteil festgeschrieben werden, der nicht zu hoch angesetzt werden darf.
Wo hier genau die Grenze liegt, ergibt sich nicht eindeutig aus der aktuellen Rechtsprechung. Am besten sollte ein Anteil von 10% der Wochenarbeitszeit nicht überschritten werden.
Die Überstunden kann auch nur Dein AG anordnen.
Wenn Du nun 42 Std. für das Gehalt von 40 Std. arbeiten sollst, würden ja 2 Std. von den Überstunden nicht bezahlt; das geht natürlich nicht so einfach.
Deshalb solltest Du, sofern nichts entsprechendes im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt ist, die Stunden entsprechend leisten aber für diese ominösen 2 Std. eine Bezahlung einfordern.
Und genau um diese 2 ominösen Stunden geht es mir. Da ist nichts im Arbeitsvertrag vereinbart bzw. nur eine pauschale Angabe ohne zeitliche Begrenzung (wie weiter oben schon dargestellt). Mal schauen, was mein Arbeitgeber sagt, wenn ich ihn darauf anspreche. Danke für Deine ausführlichen Antworten.
Wie schon gesagt, kann der Künde überhaupt keine Verlängerung der regulären Arbeitszeit verlangen - auch wenn, wie Du in der Frage ausführtest, Dein Arbeitgeber das "duldet".
Und die Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung von Überstunden ohne genauere Bestimmung des (angemessenen) Umfangs stellt nach Urteilen des BAG eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist insgesamt nichtig; darauf wurde in den Antworten ja auch schon hingewiesen.
Etwas anderes ist die Frage zur Berechtigung des Verlangens nach Überstunden - denn das Begehren des Kunden nach einer Verlängerung der Arbeitszeit geht nur über eine Anordnung des Arbeitgebers zur Ableistung von (bezahlter) Mehrarbeit, nicht über eine Verlängerung der regulären, vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
Das Verlangen nach Mehrarbeit/Überstunden könnte dann berechtigt sein, wenn die Erledigung des Auftrages diese Mehrarbeit zwingend erforderlich macht; außerdem muss - da es einen Betriebsrat gibt - der Betriebsrat dieser Anordnung von Überstunden ausdrücklich zustimmen.
Im übrigen sind in Deinem Fall Mehrarbeitsstunden zu entgelten, da - wie bereits mehrfach gesagt - die vertragliche Vereinbarung einer pauschalen Abgeltung in Deinem Fall nichtig ist.
Da gibt es bestimmt wie in fast jedem AV die Klausel das Überstunden zu machen sind wenn es die Situation erfordert... Aber du kannst ja mal bei der Arbeiterkammer nachfragen, die haben Rechtsexperten die sich damit besser auskennen.
Natürlich gibt es diese Klausel, das ist ja auch ok. Ich rede aber nicht von Überstunden, sondern von regulärer Arbeitszeit. Und DAZU kommen dann noch Überstunden. Ich weiß, es ist schwierig.
Öhm.. der Rechtsanwalt hat mehr als das 4-fache Jahresgehalt von mir. Aber das ist wieder so ein Kreislauf. Wehrt man sich, bekommt man keinen Job.