Warum verliert die Türkische Lira an Wert, obwohl das Wirtschaftswachstum derzeit stimmt.

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Das Hauptproblem besteht im Handelsbilanzdefizit. Die türkische Wirtschaft wächst nicht schnell genug in Bezug auf exportstarke Branchen, um das Wachstum der Binnennachfrage auszugleichen. Außerdem geht etwa ein Drittel des BIP-Wachstums derzeit immer noch auf Banken zurück. Zwar sind nun die Abhängigkeiten von Energieimporten etwas gesunken, aber so wirklich dauerhaft haltbar ist diese Vorgehensweise nicht. Haupthandelspartner der Türkei für Importe sind Deutschland, Russland und China. Die chinesische Währung hat stark aufgewertet und auch der EUR hat sich mit der Stabilisierung der Wirtschaft in der EUR-Zone wieder gefangen. Damit werden tendenziell viele Importe über die Zeit teurer, während die Exporte eher Waren mit geringen Margen sind, z.B. Agrarprodukte und Textilien.

Weiterhin ziehen Investoren im Zuge einer Konsolidierung derzeit aus Emerging/Frontier Markets netto immer noch Mittel ab. Die hohen Kapitalmarktzinsen in der Türkei stehen mittlerweile in einem schlechteren Risikoverhältnis als vor ein paar Jahren. Mit der Drohung der Fed, die lockere Geldpolitik einzuschränken, werden eher die Kernmärkte Europas und Nordamerikas bevorzugt. Neues Foreign Direct Investment in vielen Emerging/Frontier Markets ist praktisch Null.

Letztendlich ist ja auch nicht klar, wo die Regierung hinsteuert. Es gibt einige erschreckende Hardliner-Untertöne, die viele liberale Tendenzen in der Türkei als Brücke zwischen (christlichem) Europa und (islamischem) Asien/Middle East in Frage stellen.

Das sorgt deutlich für eine geringere Attraktivität der Türkei. Investoren, die in dieser Region unterwegs sind, werden eher in die arabischen Länder investieren, da dort die Story insgesamt noch stimmt. Die Marktindices sprechen da eine klare Sprache.

Was Invesitionen in die Türkei anbelangt, so würde ich definitiv noch abwarten, bis ca. im März 2014 klarer sein dürfte, wo die Reise der Fed und der türkischen Regierung denn hingehen soll. Im Grunde hat die Türkei als Frontier Market an der Türschwelle der EU eine perfekte Ausgangslage, aber diese Transformation der türkischen Wirtschaft muß sorgfältiger politisch unterstützt und langsamer auf den Weg gebracht werden. Ansonsten werden die Banken in der Türkei zusammenbrechen und wir haben eine Finanzkrise in Middle East.

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Wenn schon jemand in Türkische Lira investiert ist, was würdest du ihm raten drin bleiben oder rausgehen :-)

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@Niklaus

Ich würde derzeit generell Investitionen in Währungen von Ländern/Regionen mit einem hohen Handelsbilanzdefizit und einem Abzug von Investorengeld vermeiden. Da eine weitere Abwertung droht, wenn die Fed wirklich Ernst macht, würde ich aus TRY-Geldanlagen und türkischen Bankaktien erst mal aussteigen bzw. die Engagements deutlich reduzieren, denn es lauern dort deutliche Risiken.

Wer also denkt, daß 2014 schon nach einer deutlichen Korrektur der nächste Sprint nach oben stattfinden kann, sollte investiert bleiben und auf Nachkaufgelegenheiten warten. Wer denkt, daß sich das noch ziehen kann und erst noch deutliche Rückschläge drohen, da die Politik dort weit von einer Lösung der Probleme entfernt ist, kann sich ja mal zurückziehen und beobachten. Auf keinen Fall würde ich Einlagekonten in der Türkei weiter unterhalten ;-)

Da würde ich lieber in Aktienmärkte der Frontier Markets investieren, die immer noch in der Gunst der Anleger stehen. Middle East ist spannend... ebenso Sub-Sahara Afrika.

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diesen Trend kann man in einigen Regionen erkennen wie Asien oder auch in der Türkei. Das würde ich zu den Emerging Markets rechnen und dort begann die Tendenz vor ca. 6 Monaten. Das könnte man der Meldung der Fed zuschreiben, dass die lockere Geldpolitik bald ein Ende haben könnte. Damit ziehen Investoren Gelder ab und gehen zurück in die USA.

Vielen Dank

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Ich würde gerne zu den guten Antworten ( insb. gandalf ) noch eine kleine Anmerkung machen.

Das Problem sind tatsächlich die Handel- bzw. Leistungbilanzdefizite. In Höhe seines Leistungsbilanzdefizites baut sich in der Währung des Landes immer eine Nettolongposition der Währung auf ( entweder durch Türkenlongs von Ausländern oder durch Fremdwährungsshorts von Inländern ). Dieser Sachverhalt bleibt immer bestehen, egal wie sich die Währung entwickelt. Aus einer Währungsabschwächung kann daher nicht geschlossen werden, dass Geld aus der Türkei "abfließt", da Geld nur bei Leistungsbilanzüberschüssen aus einem Land abfließen kann. Da die Leistungsbilanz der Türkei aber immer noch im Minus ist, fließt weiter Geld in das Land, nur eben vielleicht aus anderen Quellen ( z.B. nicht mehr Türkenanlagen internationaler Fonds, sondern Fremdwährungskredite von türischen Residents ). Da die Türkei über viele Jahre massive Leistungsbilanzdefizite angehäuft hat, welche die Nettopositon ständig erhöht haben, brennt in dieser Währung natürlich immer die "Downside". Wie soetwas im allerschlimmsten Fall ausgehen kann, hat man ja in Island gesehen.

Man sollte aber auch nicht vergessen, dass Wechselkurse auch Assetpreise im weitesten Sinne sind. Assetpreise können unabhängig von der zu Grunde liegenden Entwicklung spekulationsgetrieben jeden Wert zwischen Null und Unendlich annehmen.

Danke für deine genaue Analyse.

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